Kehrtwende in der  Klimapolitik, neue Hoffnung für den Amazonas und uns alle? 

Die hausgemachte Klimakatastrophe Brasiliens 

Brasiliens scheidender Präsident Jair Bolsonaro hat den Amazonas als Trümmerhaufen hinterlassen. In seiner Amtszeit wurde eine Fläche so groß wie Belgien zerstört, illegale Brandrodungen und Landraub standen vier Jahre lang an der Tagesordnung. Die indigenen Völker wie auch die Kleinbauern erlebten ein unbeschreibliches Ausmaß an Gewalt. Morde, Vergewaltigungen und Entführungen blieben unbestraft, indigene Gebiete wurden laufend durch Goldgräber und die bewaffneten Handlanger der Viehzüchter überfallen.  
Die Auswirkungen sind für uns alle spürbar: die CO2 Emissionen des Amazonas haben sich in diesem Zeitraum verdoppelt – und liegen erstmals über der CO2 Absorption des Regenwaldes! 

COP 27 – ein Lichtblick für den Amazonas? 

Der antretende Präsident Lula da Silva hat in einer bewegenden Rede bei der COP 27 in Sharm el-Sheikh der Welt angekündigt, dass er die Klimapolitik als zentrales Anliegen seiner künftigen Regierung versteht und seinen totalen Einsatz für den Regenwald versprochen. Dies will er durch eigene Ministerien und Regierungsstellen garantieren. 

Geplant ist dafür u.a. eine regierungsführende, ministerienübergreifende und international agierende zentrale Umwelt- und Klimakoordinationsstelle. 

Zur Vorbereitung des Regierungswechsels im Jänner 23 wurden bereits parteienübergreifende Übergangskommissionen gebildet, deren Aufgabe die umfassende Bestandsaufnahme und die Vorbereitung des Regierungsagenden der einzelnen Ministerien ist.  

So finden sich in der Kommission des Umweltministeriums die Ex-Umweltministerinnen Marina Silva und Izabella Teixeira, welche beide als potentielle Ministerinnen gehandelt werden. 

Das Ministerium der indigenen Völker und die indigene parlamentarische Vertretung 

Die Aufgaben dieses Ministeriums sind bis jetzt noch nicht klar definiert und sollen durch die Übergangskommission erarbeitet werden. Auf jeden Fall soll es die nationale indigenen Politik neu erarbeiten, Schutz und Demarkation der indigenen Territorien, Gesundheits-, Wirtschafts- wie auch Bildungsagenden übernehmen.   

So ist die Kommission für dieses Ministerium mit wichtigen Vertreter:innen der indigenen Gesellschaft besetzt. Zu nennen wären da Sonia Guajajara und Célia Xakriabá, Joenia Wapichana sowie die Vertreter:innen einzelner Völker, wie der Philosoph David Kopenawa Yanomami, der Schamane Benki Piyãko der Ashaninka oder Beto Marubo / Vale do Javari.  

Die besonders gute Nachricht für das Klimabündnis ist, dass der Präsident unserer Partnerorganisation FOIRN, Marivelton Baré, Mitglied der Übergangskommision ist. Als gewählter Vertreter der indigenen Völker des Rio Negro und somit des größten zusammenhängenden Feuchtgebietes des Amazonas steht er für den Schutz und die Umsetzung indigener und umweltpolitischer Rechte in der Region. Er stellt seine Erwartungen an die Kommission klar: “Die indigenen Rechte müssen jetzt in einem partizipativen Prozess wieder neu aufgebaut werden, sowohl das neue Ministerium als auch die staatliche Indigene Stiftung FUNAI müssen von indigenen Vertretern geleitet werden.” Marivelton verlangt, dass staatliche Politik nicht ohne Konsultationsprozesse mit den indigenen Völkern umgesetzt werden darf.  

Dies bedeutet auch, dass die Arbeit, die in den letzten 30 Jahren in Zusammenarbeit mit dem Klimabündnis Österreich stattgefunden hat, in der Ausarbeitung der Agenden für das Ministerium wegbereitend sein wird. Organisationsentwicklung, die Stärkung nachhaltiger Bewirtschaftungssysteme des Regenwaldes, die Förderung von Gemeinschaftsinitiativen und die Einkommensschaffung stehen auf der Besprechungsagenda. Indigene öffentliche Politik wird diesen Forderungen nachkommen müssen.  

Wer wird indigener Minister oder Ministerin? 

Die Bestellung des Ministers oder der Ministerin erfolgt durch konsensuale Vorschläge der indigenen Völker und nicht durch alliierte Regierungsparteien. Unter den Favoriten für den Ministerposten ist die in Regierungsarbeit erfahrene, erste gewählte indigene Abgeordnete Joenia Wapichana. Doch auch über Sonia Guajajara, die sowohl national als auch international die indigene Bewegung ins Zentrum rückte, besteht weitgehend Konsens. 

Sonia wurde jedoch 2022 zur Abgeordneten gewählt und führt gemeinsam mit Célia Xakriabá die wortgewaltige “Fraktion des Federschmucks” an, auf der große Hoffnungen liegen: die beiden kämpferischen Frauen sollen die parlamentarische Fraktion des Agrobusiness in Schach halten und Gesetze, welche dem Regenwald und seinen Bewohner:innen schaden, verhindern.  

Das Klimabündnis Österreich als Partner 

Brasilien 2023, unter Präsident Lula, hat sich mit dieser Agenda, und vor allem durch die Einbindung der indigenen Völker in die nationale Umweltpolitik, wieder als Keyplayer in Sachen Klimagerechtigkeit auf die Weltbühne katapultiert.  
Das Engagement des Klimabündnis als internationaler Partner der indigenen Organisationen am Rio Negro wird daher in den nächsten vier Jahren noch stärker und positiver wirken, unsere projektbezogene, emanzipatorische Unterstützung – auch in Sachen Anwaltschaft auf nationaler und internationaler Ebene, ist wichtiger denn je. Schützen wir gemeinsam den Regenwald!  

Silvia Jura da Silva, Projektleitung Klimagerechtigkeit  beim Klimabündnis Österreich

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